Wir leben in einer Zeit der tiefen gesellschaftlichen und politischen Spannungen. Krisen folgen auf Krisen, Unsicherheiten nehmen zu, und die gesellschaftliche Spaltung scheint sich weiter zu vertiefen. Um die gegenwärtige Lage besser zu verstehen, hilft ein Blick auf das Bios, Heros, Logos, Eros-Modell. Es zeigt, welche Grundkräfte unser Handeln leiten – und wie ihr Ungleichgewicht zu den Problemen unserer Zeit beiträgt.
Bios – Die Angst ums Überleben
Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, wie stark Bios – das Streben nach Sicherheit, Gesundheit und Existenzsicherung – unser Verhalten beeinflusst. Die Corona-Pandemie, die wirtschaftlichen Unsicherheiten und der Klimawandel haben dieses Grundbedürfnis massiv aktiviert. Menschen sorgen sich um ihre Zukunft, steigende Energie- und Lebenshaltungskosten verstärken das Gefühl der Bedrohung. In einem solchen Zustand neigen Gesellschaften dazu, vorsichtiger, aber auch anfälliger für populistische Versprechen zu werden, die Sicherheit und Stabilität verheißen.
Heros – Der Kampf um Macht und Einfluss
Während ein Teil der Gesellschaft um Sicherheit ringt, eskaliert in der politischen Arena das Heros-Prinzip. Machtkämpfe, ideologische Grabenkämpfe und der Wunsch, sich gegen den „anderen“ durchzusetzen, dominieren den Diskurs. Sei es in der internationalen Politik – mit geopolitischen Spannungen zwischen Großmächten – oder in der Innenpolitik, wo Parteien und Gruppen ihre eigenen Interessen mit zunehmender Härte verteidigen. Die Logik des Heldentums sorgt für eine Polarisierung, bei der es nicht mehr um Lösungen, sondern um Siege geht.
Logos – Vernunft als leise Stimme im Chaos
Eigentlich sollte Logos – der Bereich der Vernunft, der Wissenschaft und der Sachlichkeit – eine zentrale Rolle in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen spielen. Doch in Zeiten emotionaler Krisen gerät die Stimme der Vernunft oft in den Hintergrund. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden selektiv genutzt oder ignoriert, je nachdem, ob sie der eigenen Agenda dienen. Fake News und Verschwörungstheorien untergraben das Vertrauen in rationale Argumente. Gleichzeitig bleibt Logos oft gefangen in einer Welt abstrakter Modelle und Elitendiskurse, die für viele Menschen schwer zugänglich sind.
Eros – Der fehlende Zusammenhalt
Was unserer Gesellschaft am meisten fehlt, ist Eros – das Prinzip der Verbundenheit, der Empathie und des gegenseitigen Verständnisses. Die zunehmende Spaltung in politische Lager, soziale Ungleichheiten und die wachsende Vereinsamung in einer digitalisierten Welt haben das Gefühl der Gemeinschaft geschwächt. Während Krisen eigentlich die Chance bieten, näher zusammenzurücken, erleben wir stattdessen oft das Gegenteil: Feindbilder werden verstärkt, das Vertrauen in „die anderen“ nimmt ab.
Wie finden wir zurück ins Gleichgewicht?
Das Ungleichgewicht zwischen diesen vier Kräften führt zu den Spannungen, die wir heute erleben. Ein gesundes System benötigt eine Balance:
=> Bios braucht Perspektiven und soziale Sicherheit, um Menschen aus der Angstspirale zu befreien.
=> Heros sollte von reinem Machtstreben zu konstruktivem Engagement transformiert werden.
=> Logos muss besser kommunizieren und für alle zugänglich gemacht werden, um Vertrauen in Fakten zu stärken.
=> Eros braucht neue Räume des Austauschs und der Verständigung, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Die Rolle von Coaching in diesem Prozess
Coaching kann eine wesentliche Rolle dabei spielen, diese Balance wiederherzustellen. Indem es Einzelpersonen und Gruppen hilft, ihre eigenen Denkmuster zu reflektieren und neue Handlungsoptionen zu entwickeln, kann Coaching:
=> Bios unterstützen, indem es Ängste reduziert und Strategien zur Bewältigung von Unsicherheiten vermittelt.
=> Heros positiv lenken, indem es Führungsqualitäten stärkt, ohne destruktives Konkurrenzdenken zu fördern.
=> Logos stärken, indem es kritisches Denken und fundierte Entscheidungsfindung fördert.
=> Eros fördern, indem es Empathie, Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen verbessert.
Unsere Aufgabe ist es, diese Kräfte in Einklang zu bringen – als Individuen, als Gesellschaft und als politische Akteure. Denn nur wenn alle vier Dimensionen in Balance sind, kann eine Gesellschaft nachhaltig funktionieren.